DU HAST NOCH FRAGEN? WIR HELFEN GERN
Ich bin zu Besuch bei Isa, einer „mamá“, die mich herzlich zu sich nach Hause eingeladen hat. Wir kochen zusammen vegetarisch(!) und wollen gleich noch am Fluss spazieren gehen. Im Moment spülen Isa und ich aber noch ab. Die Küche ist ein dunkler zugiger Raum. Die Fenster fehlen noch und sind nur mit Stoffen abgehängt, denn im Grunde genommen befindet sich das ganze Haus noch im Bau. Aber wo sollte die Familie sonst wohnen? Eine Glühbirne erhellt spärlich den Raum und wir stehen nebeneinander die Töpfe abtrocknend. Von draußen hört man das Schwein grunzen und ein Kind rufen. Der Wind streicht durch die Vorhänge und durch die -noch unbesetzten- Fensterhöhlen erhasche ich einen Blick auf den Sonnentag draußen. Die Eukalyptusbäume wiegen sich im Wind. Die bunte Wäsche der Nachbarin wird sanft durchgeschüttelt. Drinnen sind wir mittlerweile schon beim Besteck abtrocknen angekommen. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt, bis Isa auf einmal ihren Blick hebt und mich direkt anschaut. In ihren Augen steht viel mehr geschrieben, als sie mit Worten ausdrücken könnte. Sie hält meinen Blick fest. „Gracias“ sagt sie, und ich meine in diesem schlichten Wort sehr viel zu hören. Danke, dass du da bist und mir Gesellschaft leistest. Mir dein Ohr schenkst. Danke, dass du mich nicht verurteilst, für das, was ich bin oder was ich besitze. Wie ich aussehe. Wie wir leben. Danke, dass du mich einfach nur als Menschen siehst. Nicht nur
das ansiehst, was offensichtlich vor Augen ist. Danke, dass du mir deine Freundschaft schenkst. Wir umarmen uns in dieser zugigen dunklen Küche, diese kleine, dicke, herzliche Frau und ich. Sind beide berührt. Ich habe ihr zugehört und habe ihr unbewusst das gegeben, was sie am meisten gebraucht hat. Jemanden, dem sie sich ehrlich öffnen konnte in ihrer Einsamkeit, von den Problemen mit ihrem Ehemann und dem Über-die-Runden-kommen erzählen. Zuhören. Eine richtige Kunst. Meinem Gegenüber Aufmerksamkeit schenken, Anteil zu nehmen. Viel zu oft vergesse ich, wirklich zuzuhören im Alltagsstress. Sich auf die Anderen zu besinnen. Auf die Nuancen in der Stimme zu achten, die so viel mehr ausdrücken als die reinen Worte. Die Kunst des Zuhörens.
Merle Merdes, Freiwillige in Cajamarca, Peru
2017/18
Wer weitere spannende Texte lesen möchte kann gerne diesen Kalender erwerben unter: www.ranansleben.de/wandkalender
Klicken Sie hier um Ihren eigenen Text einzufügen