Freundschaft bei Veränderung
Der Oktober steht bei uns unter dem Zeichen der Freundschaft. Als wir uns im Team darüber unterhalten haben, wer von uns einen Beitrag über Freundschaften in veränderten Lebenssituationen schreiben könnte, habe ich mich direkt angesprochen gefühlt. Zweimal bin ich schon umgezogen und habe vor einigen Monaten mein Studium abgebrochen und nun mit einem Freiwilligendienst begonnen. Zu sich verändernden Freundschaften habe ich also was zu sagen!
Umziehen ist schwer…
Immer wenn sich etwas im Leben verändert, ob man jetzt an einen neuen Ort zieht oder sich nur die eigene Lebenssituation und damit verbunden der Alltag und die Interessen verändert, stehen immer auch unseren Freundschaften Veränderungen bevor.
Wie schon gesagt bin ich schon zweimal umgezogen. Einmal während der Schulzeit: Ich hatte gerade die fünfte Klasse auf dem Gymnasium hinter mir und musste mich nun an einer neuen Schule, in einer neuen Klasse zu recht finden. Das war nicht einfach. Das zweite Mal war der Umzug freiwillig: Ich bin zum Studium nach Karlsruhe gezogen. Doch egal ob freiwillig oder gezwungen: Jedes Mal bedeutete es eine große Veränderung in meinen Leben und in meinen Freundschaften.
Wenn man an einen anderen Ort zieht, ändert sich viel in einer Freundschaft. Plötzlich sieht man sich nicht mehr fast jeden Tag, jetzt ist es mit langer Planung verbunden, wenn man sich mal treffen will. Manche Freundschaften halten das aus, aber das sind einfach nicht die Meisten. Man erkennt welche Menschen einem besonders wichtig sind, und welche vielleicht auch nicht. Manchmal überrascht es einen auch mit wem der Kontakt bestehen bleibt. Jule zum Beispiel war während meiner Schulzeit nicht meine beste oder engste Freundin. Wir kannten uns zwar, hatten aber nie sonderlich viel gemeinsam. Heute aber ist sie die einzige meiner alten Schulfreunde, mit der ich mich gelegentlich noch treffe, was mir mit anderen schlicht nicht gelingt. Man lebt sich auseinander, man hat nicht mehr die gleichen Interessen oder die jeweilige Lebenssituation ist inzwischen so anders, dass man sich einfach nichts mehr zu sagen hat. Und dann ist erstmal Pause. Vielleicht trifft man sich ja mal wieder, vielleicht auf einem Klassentreffen oder per Zufall in der Stadt, vielleicht nimmt man die Freundschaft wieder auf oder eben nicht. Gerade wegen diesen Schwierigkeiten ist es so schön, dass ich mit Jule noch so gut befreundet bin. Es kann ein immer wieder überraschen wie sich Beziehungen weiter entwickeln. Diese Verbindung „nach Hause“ ist mir sehr wichtig.
… manchmal aber auch einfach
Manchmal ist das einfacher und manchmal fällt es einem sehr schwer an neuen Orten neue Kontakte zu knüpfen. In eine neue Klasse zu kommen, die schon seit einem Jahr zusammen ist und schon zu einer Gruppe zusammengewachsen ist, fand ich echt nicht einfach. Alle kannten sich schon und nur ich war neu. Ganz anders war das als ich nach Karlsruhe kam. Gerade als neuer Student bist du nicht alleine, in meinem Studienfach haben tausend andere zusammen mit mir angefangen zu studieren. Um diese anderen kennenzulernen hat mir besonders die Orientierungswoche der Fachschaft geholfen (bei uns hieß die „O-Phase“, es gibt aber ähnliche Programme unter ähnlichen Namen an fast jeder Uni).
Mit vielen von den Menschen, die ich dort kennen gelernt habe, bin ich auch jetzt, drei Jahre später, immer noch gut befreundet, obwohl sich gerade wieder etwas bei mir verändert hat. Ich habe mein Studium abgebrochen. Jetzt mache ich einen Freiwilligendienst. Diesmal wohne ich noch am gleichen Ort wie vorher, doch wieder unterscheidet sich meine Lebenssituation grundlegend von der meiner Freunde. Wir treffen uns nicht mehr regelmäßig in der Mensa oder der Vorlesung, und durch meine geregelten Arbeitszeiten unterscheiden sich auch unsere normalen Tagesabläufe grundlegend. Trotzdem treffen wir uns im Moment noch fast jede Woche zu unserem Stammtisch. Das lässt mich hoffen, dass diese Freundschaften noch länger halten. Doch was wirklich am Ende daraus wird, wird mir wohl erst die Zukunft zeigen.
„Freundschaften, das sind einfach Zufallsbekanntschaften“
Wenn ich so zurückdenke wie ich die Menschen kennen gelernt habe, die mir heute so wichtig sind, merke ich, dass da ganz schön viel Zufall im Spiel war. Du suchst dir die Leute, mit denen du dich anfreundest normalerweise nicht gezielt aus.
Da sitzt du in deiner ultraschweren Mathevorlesung neben jemanden der genauso verzweifelt ist wie du. Und schon hast du einen neuen, potenziellen Freund (du musst ihn nur ansprechen) mit dem gemeinsam die Übungsblätter nur noch halb so schwer sind.
Oder du sitzt auf der Fahrt zum Seminar zufällig im gleichen Bus. Und im Gespräch merkt ihr, dass ihr die gleiche Musik toll findet.
Oder du sitzt in der O-Phase deiner Uni, am ersten Abend mit diesem netten Pärchen zusammen auf einer Bierbank und unterhältst dich über Fantasy-Bücher. Und jetzt feierst du eigentlich jedes Silvester mit ebendiesen netten Menschen zusammen.
Manchmal hält eine solche Zufallsbekanntschaft dein ganzes Leben, mit allen Veränderungen die es mit sich bringt. Und manchmal hast du für diesen Abschnitt deines Lebens oder vielleicht auch nur für diesen Abend einen netten Menschen gefunden mit dem man sich gut unterhalten kann und mit dem man gerne was unternimmt. Und dann ändert sich das Leben wieder, deine Interessen wandeln sich und du lernst neue nette Menschen kennen, die dich durch diesen neuen Abschnitt deines Lebens begleiten.
Ich zumindest bin gespannt, welche Menschen mir auch im kommenden Jahr noch begegnen werden und aus welchen dieser Begegnungen sich vielleicht eine langlebige Freundschaft entwickeln kann. Ich hoffe es geht euch genauso.